Corona-Prämien-Verlierer:innen berichten:

Bei unserer Kundgebung am 5.12.2022 vor dem UKE gab es mehrere Berichte von Personen, denen eine Corona-Prämie verwehrt blieb. Wir wollen hier einige davon dokumentieren, damit jede Person selber beurteilen kann, ob das berechtigt ist. Gibt es Aufgaben in einem Klinikbetrieb, die weniger wichtig in Zeiten der Pandemie sind? Wohl kaum...

 

 

Ivanca, Reinigungskraft in einem großen Krankenhaus in Hamburg: Ich bin 57 Jahre alt und arbeite schon über dreißig Jahre in diesem Beruf, auch habe ich schon in verschiedenen Krankenhäusern gearbeitet. Es war schon so, dass von Jahr zu Jahr mehr Arbeit dazukam, die wir in der gleichen Zeit erledigen mussten. Aber während der Coronahochzeiten wussten wir gar nicht, wo wir zuerst sein sollten. Meine Kollegin und ich waren als Reinigungsteam für alle Grundreinigungen im gesamten Krankenhaus zuständig. Das Krankenhaus hat über 900 Betten und wir mussten jedes Zimmer, in dem ein mit Corona oder anderen Keimen infizierter Patient lag, desinfizieren. Während wir im ganzen Haus unterwegs zu den Zimmerreinigungen waren, klingelte im 10-15 Minutentakt unser Telefon und die Coronastationen, die Notaufnahme und die Intensivstation haben noch weitere Zimmer zur Endreinigung angemeldet, immer wenn irgendwo ein infizierter Patient entlassen, verlegt oder verstorben ist. Oft wurden wir mehrfach von den gleichen Stationen angerufen und auch angeschrien, warum wir so lange brauchen, die Zimmer müssten fertig gemacht werden.

Wenn wir auf eine Station kamen mussten wir erst suchen oder die Pflegerinnen fragen, wo wir Schutzausrüstung herbekommen, manchmal hieß es „wir haben selbst kaum noch etwas, wir können euch nichts geben“, dann mussten wir auf anderen Stationen fragen.

Unser Vorarbeiter hat gesagt, dass wir nicht länger als 7 Minuten für ein Zimmer brauchen dürfen. In dieser Zeit müssen Boden, Wände und Fenster mit Desinfektionsmittel geschrubbt, Waschbecken, Toilette,  Dusche, Tische, Stühle, Betten und Schränke gereinigt, Betten frisch bezogen und Türklinken desinfiziert werden. Der infektiöse Müll musste doppelt eingetütet werden.

Nicht zu vergessen die Zeit, die es braucht um sich Schutzkleidung an- und auszuziehen. Regelmäßig wurden wir von unserem Chef beschimpft oder mit Kündigung bedroht, weil wir zu langsam waren.

Besonders schwierig ist es unter den Plastikkitteln und Masken und Schutzbrillen in höchster Eile zu arbeiten. Man schwitzt, sieht nicht gut und bekommt schlecht Luft. Ich persönlich habe große Probleme körperlich, habe eine Lungenkrankheit und bin jeden Arbeitstag an meine Belastungsgrenze gekommen. Ich konnte nicht mehr, habe mich total kraftlos gefühlt, aber ich habe mich nicht getraut mich krank zu melden, denn ich habe nur einen befristeten Arbeitsvertrag und bin auf die Stelle angewiesen.

Ich hatte jeden Tag Angst zur Arbeit zu gehen, Angst vor den Wutausbrüchen des Vorgesetzten, Angst keine Masken zu bekommen und Angst mich anzustecken, Angst körperlich zusammenzubrechen.

Manchmal habe ich geweint – heimlich in den Coronazimmern, wo mich niemand sehen konnte. Habe an meine Kinder gedacht und mir gesagt, ich muss weiter durchhalten. 

 

Mia, 19 Jahre, Auszubildende: Ich hatte letztes Jahr meinen Praxiseinsatz auf einer geriatrischen Station, ich kann mich noch gut erinnern, wir hatten einige Coronaausbrüche auf der Station. Die meisten Patienten kamen aus Pflegeheimen und manchmal stellte sich erst im Verlauf heraus, dass sie covid-positiv waren, leider erst nachdem wir bereits bei der pflegerischen Versorgung engen Kontakt zu den Patienten hatten. Ich habe dann immer gehofft mich nicht infiziert zu haben, denn ich pflege zu Hause selbst meine kranke Großmutter und wollte sie auf keinen Fall anstecken.

Ich erinnere mich einmal hatten wir einen schwer dementen Patienten auf Station, der auch mit Corona infiziert war. Er hat die Situation natürlich nicht verstanden. Demnach nahm er immer wieder seine Maske ab, wenn wir im Raum waren. Er wusste auch nicht wer die vermumten Personen waren, die immer wieder in sein Zimmer traten oder warum er immer wieder zurück in sein Zimmer geschickt wurde, wenn er die Türe öffnete und auf den Flur trat. In einem Spätdienst war es ganz schlimm, er wurde aggressiv und schlug um sich, wir hatten alle Mühe in zurück in sein Zimmer zu bringen. Es bestand ja die große Gefahr, wenn er ungeschützt über die Station lief, dass er andere alte  immungeschwächte PatientInnen auf der Station anstecken würde. Da wir seine Zimmertüre nicht abschließen konnten, verbarrikadierten wir in unserer Not seine Türe mit einem leeren Bett von außen, sodass sie von innen nicht mehr zu öffnen war. Das tat mir in der Seele so weh, diesen armen verzweifelten Menschen zu sehen, der die Welt nicht mehr verstand und bestimmt große Angst hatte. Aber wir konnten ihm nicht helfen, wir mussten uns und andere schützen, auch wenn das Vorgehen sehr grenzwertig war. So etwas möchte ich nie wieder erleben.

 

Juliana, Gesundheits- und Pflegeassistentin: Ich habe während der Pandemie lange Zeit auf einer Coronastation gearbeitet. Ich habe das freiwillig gemacht, weil ich die Kollegen dort unterstützen wollte.

Es war eine harte Zeit und körperlich schwere Arbeit. Einen Menschen zu duschen, während man selbst in Plastikkittel, Maske, Haube und Skibrille gepackt ist, macht keinen Spaß. Dieses ständige An- und Ausziehen der Schutzausrüstung vor Betreten jedes Zimmers kostet viel Zeit.

Wenn die Station voll war- und das war sie fast immer- bedeutete das Stress pur. Die meisten Patienten waren alt und bettlägerig und benötigten viel Hilfe.

Schlimm empfand ich, dass wegen des strikten Besuchsverbots häufig besorgte, teils weinende Angehörige anriefen und uns anflehten ihnen Auskunft über den Zustand ihrer Liebsten zugeben oder sie doch bitte auf Station zu lassen, damit sie sich verabschieden konnten.

Wir mussten Menschen nicht nur einsam und alleine sterben lassen, weil wir keine Zeit hatten sie zu begleiten, hinterher mussten wir ihre leblosen Körper in Plastiksäcke legen und den Reißverschluss zuziehen. Das macht schon was mit einem! Ich habe heute noch Alpträume davon.

Das war das Makaberste und Unwürdigste, was ich erlebt habe!

 

Jonas, Anästhesiepfleger: Corona und der OP bzw. Anästhesie…. Viele werden denken, ach, die haben doch damit kaum oder nichts zu tun!?

Falsch gedacht. In unserem Fall, wurden im Hoch der Corona Phase Kollegen nachdrücklich GEBETEN, auf den Intensivstationen auszuhelfen…. Mit den Worten Ihr seid doch so erfahrene hoch qualifizierte gut ausgebildete Fachpfleger/innen… Jedoch waren viele noch nie auf der Intensivstation oder es war/ist schon ein halbes Arbeitsleben her…

Ihr bekommt doch auch nur die Leichten Patienten!

Ihr bekommt doch Hilfe.

Einarbeitung? Ach das wird schon so gehen, frag einfach.

Während also der Rest der Anästhesiepfllege ausgedünnt im OP zurück geblieben ist um den nur leicht reduzierten OP-Betrieb am Laufen halten sollte, wurden die durch die Saalschließung überschüssigen OP Pflegekräfte mit hau ruck in die Einleitungen gestellt und eine Schnelleinweisung in die Arbeit der Anästhesie durchgeführt. Im Nachbarsaal steht ja noch eine erfahrene Anästhesiefachkraft…. So schnell wird man also in der eigenen Einarbeitung zur erfahrenen Fachkraft! 

Nach also nicht einmal einer Woche standen also OP Pflegekräfte mit Intensivpatienten in der Einleitung und wenn etwas ist… ruf doch die erfahrene Fachkraft!! Die ja nur selber im Stress durch den OP rennt…

So kam dann ja die ein oder andere Coronaprämie…. Bis zur letzten… die dann nicht im Funktionsbereich angekommen ist….?? Große Fragezeichen!??!?!? 

Bei uns im Haus ist es üblich, dass die Anästhesiepflege im Schockraum steht – das bedeutet:

- potentielle COVID Patienten.

 - zum Reanimationsalarm laufen, ja auch auf die CORONA Stationen. 

 - zur schnellen Intubation eines COVID Patienten auf die Intensivstationen, da ja die Anästhesie ach so routiniert beim Intubieren ist

 - den Transport solcher Intensivpatienten- ja auch COVID Patienten- durch das Haus zu den Untersuchungen und in den OP durchführen 

- also grade in heiklen Momenten engen Kontakt mit potentiellen und nachgewiesenen COVID Patienten zu haben.

Aber leider ist der Funktionsdienst Anästhesiepflege mit dem riesigen Aufwachraum, den unser Haus führt, keine bettenführende Station und somit nicht berechtigt den letzten BONUS zu erhalten… PECH gehabt, trotz der so hohen, tollen, qualifizierten Ausbildung und Erfahrung und trotz der Arbeit mit Notfallpatient/innen… 

Ach dann klatsche ich halt nochmal für mich und meine Kollegen.

 

Hasan, Security an einer Klinkpforte: Wir arbeiten jeden Tag 12 Stunden. Normalerweise ist es überwiegend ruhig, es gibt hin und wieder mal Zwischenfälle in der Notaufnahme, wenn Patienten unter Alkohol-oder Drogeneinfluss stehen oder zu lange warten müssen.

Aber während der Coronazeit ist es unser Job gewesen, alle Personen, die den Haupteingang der Klinik passieren wollten, zu kontrollieren. Personal musste uns den Mitarbeiter-Ausweis vorzeigen. Viele hatten ihn nicht dabei und haben uns dann dafür angemacht, dass wir sie nicht aufhalten sollten oder warum wir ihr Gesicht nicht erkennen. Besucher mussten uns ihren negativen Coronatest zeigen, sonst durften sie die Klinik nicht betreten. Viele hatten keinen Test, sie wurden von uns weggeschickt und gebeten erst einen Test zu machen - auch das war häufig Anlass ihren Frust an uns auszulassen.

Am Schlimmsten war es aber zu Zeiten des strikten Besuchsverbots. Niemand durfte reingelassen werden. Es gab keinen Tag, an dem wir nicht mehrfach von Besuchern, die die Regelung nicht kannten, angeschrien, wüst beschimpft, angespuckt oder gar tätlich angegriffen wurden. Manchmal mussten wir sogar die Polizei zu Hilfe rufen. Ein Kollege musste mit gebrochener Nase in der Notaufnahme versorgt werden. Das ist doch nicht mehr normal!

Das Arbeiten war in dieser Zeit alles andere als angenehm und die 12 Stunden-Schichten kamen uns länger vor als jemals zuvor.